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Ernst Dauner

Stolperstein Säntisstraße 36 (GPS 48.411408, 9.98664)

 

Ernst Dauner, geboren am 4. September 1913 in Ulm, starb am 25. Januar 1944 im KZ Dachau. Das Standesamt des KZ gab als Todesursache an: „Versagen von Herz und Kreislauf bei Scharlach-Sepsis“. Aller Wahrscheinlichkeit nach jedoch wurde Dauner  ermordet, u.U. im Rahmen der sogenannten KZ-  „Invalidenaktion 14f13“. Als „Schutzhäftling“ trug Dauner in Dachau an seiner Uniform den „Roten Winkel“, ein aufgenähtes Dreieck für die politischen Feinde des Regimes. Gleichwohl war er in seinem Selbstbild  sowie im Bild seiner Umgebung kein „Politischer“, wie es im KZ-Jargon hieß. Aber er redete, wo absolutes Schweigen angesagt war. So wurde er nach den Kriterien des Nazi-Staates ein Politikum, das mundtot gemacht werden „musste“.

Ernst Dauner

Ernst Dauner

Ernst Dauner wuchs bei seinen Eltern Georg und Emilie Dauner (geb. Miller), zunächst in der Ulmer Neutorstraße 30 auf. Der Vater war „Reichsbahnbediensteter“, die Mutter Damenschneiderin. Obgleich sie eher arm als wohlhabend waren, ließen sie ihren Sohn Ernst studieren. Er absolvierte die Kepler-Mittelschule und anschließend die Hochschule für Bauwesen in Stuttgart.

Als im März 1933 den Nazis die Macht übergeben wurde, war er 19 Jahre alt. Er stand dem Regime wohl ohne größere Vorbehalte oder Sympathie, eher als Karriere-Mittel gegenüber. So wurde er am 1. Mai 1933 Mitglied der NSDAP, unmittelbar vor einer jahrelangen Aufnahmesperre für neue Mitglieder. Er scheint nie eine Funktion in der Partei und ihren Gliederungen ausgeübt zu haben. In der Nachkriegszeit wird er rückblickend als unpolitisch, lebenslustig, musikalisch, sportlich beschrieben.

Am 6. November 1943 wurde er aus der Partei ausgeschlossen.

Ernst Dauner mit Sohn Hanns

Ernst Dauner mit Sohn Hanns

Ernst Dauner heiratete am 4. Mai 1935 Martha Z., die im Januar 1940 starb. Sie lebten im Straßburgweg 27. Mit ihr hatte er zwei Söhne, geboren 1937 und 1939. Nach Ernst Dauners Tod im Januar 44 wuchsen diese bei seinen Eltern, ihren Großeltern, in der Neutorstraße 30 auf. Das Haus wurde beim großen Bombenangriff auf Ulm am 17.12.1944 zerstört, die Bewohner überlebten.

Ernst Dauner heiratete am 10. Januar 1942 ein zweites Mal, nämlich Maria W. Mit ihr hatte er eine im Oktober 1942 geborene Tochter. Sie lebten in der Säntisstraße 36.

Seit 1940 war Dauner als ausgebildeter Bau-Ingenieur bei der „Süddeutschen Abwasser-Reinigungsgesellschaft m.b.H., Ulm a.d.D.“ angestellt. Die Firma hatte ihren Sitz in Ulm, in der Kramgasse 2.

Die Firma bekam Ende 1941 vom „Reichssicherheitshauptamt“ (RSHA) bzw. „Wirtschaftsverwaltungshauptamt“ (WVHA) in Berlin, den zentralen, von der SS geleiteten Behörden des NS-Staates für alle Konzentrations- und Vernichtungslager, einen Auftrag. Nämlich,  „Kanalisation und Kläranlagen“ von „Stadt und Lager Auschwitz“ zu sanieren und neu zu planen.

Ernst Dauner war 30 Jahre alt, als er von der Firma nach Auschwitz geschickt wurde, um Inhalt und Umfang des Auftrags zu sondieren.

Als er am 20. Juni 1943 in Auschwitz ankam, war dort der Massenmord auf seinem Höhepunkt. Täglich wurden einige tausend Leichen verbrannt. Die Luft war erfüllt vom Gestank verbrannter Menschen, in den Kanälen schwammen Menschenteile.

Ernst Dauner war tief verstört über das Gesehene und trat umgehend die Rückreise an ohne sich abgemeldet zu haben.

In Ulm erzählte er in seiner Firma und in deren Umgebung die von ihm wahrgenommene Wahrheit von Auschwitz. Er brach damit ein absolutes Schweigegebot. Die Firma verständigte die Ulmer Gestapo.

Am 25. Juni wird er verhaftet, lebt noch etwa fünf Monate abwechselnd in der Psychiatrie, im Krankenhaus, im Gefängnis, streng abgeschirmt von der Außenwelt. Etwa am 15. November 1943 wird er ins KZ Dachau gebracht und stirbt dort am 25. Januar. Ein paar Tage später bekommt seine Frau per Nachnahme die Aschereste zugeschickt, sie wurden am Ulmer Friedhof bestattet.

Ernst Dauner war kein Heroe eines bewussten Widerstandes gegen das NS-Regime. Aber er war ein Mensch, den angesichts der Wirklichkeit in Auschwitz ein elementares Entsetzen packte. Tausende nichtjüdische Deutsche haben als Augenzeugen Auschwitz erlebt und haben geschwiegen.

Dauner redete. Er war ein Einzelfall.

 

Autor: Silvester Lechner

 

Literatur:

Silvester Lechner, Ernst D. oder: Entsetzen über Auschwitz, in: Dachauer Hefte 12, 1996, S. 123 -138.

„In Auschwitz versagten die Nerven“, Bericht über die Spruchkammer-Verhandlung am 1. und 3.10.1947, in: „Schwäbische Donauzeitung“, 11.10.1947, S.5.

Archive:

 ITS-Archiv Arolsen: Signatur 1.1.6.2./10017021 ff

StA Ludwigsburg, EL 350, ES 3218; sowie K 746, Bü 15

A-DZOK Ulm, R2/118