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Curt Erich Riesterer

Stolperstein Frauenstraße 134, ehemaliges Garnisons-Arresthaus (GPS 48.40687, 9.992808)

 

Mit der Welt des Militärs geriet der in Mannheim geborene Musiker Curt Erich Riesterer wiederholt in Konflikt. Der junge Mann, der sich anfangs freiwillig zum Reichsarbeitsdienst gemeldet hatte, wurde 1937 vermutlich wegen Dienstfluchts verurteilt und inhaftiert. Fünf Jahre später verurteilte ihn ein Kriegsgericht zum Tode. Am 22. März 1943 um 7.00 Uhr morgens wurde Curt Erich Riesterer in Ulm hingerichtet.

Curt Erich Riesterer wurde am 30. Juni 1917 als jüngstes Kind von Emil Riesterer und Luise Riesterer, geb. Korfmann, in Mannheim geboren. Die Familie wohnte in einem bis heute erhaltenen Haus in B5 16 in Mannheim. Curt hatte zwei ältere Geschwister, Karl und Luise. Vier weitere Geschwister starben bereits im Kindesalter. Als Curt 15 Jahre alt war, starb seine Mutter. Nach dem Tod seiner Ehefrau heiratete der Vater erneut. „Bei den Ehepartnern findet sich auf der Meldekarte der Eintrag: ‚Seit 17.12.36 gottgläubig, früher kath.‘. Man kann also vermuten, dass sie überzeugte Anhänger des Nationalsozialismus waren“, so die Auskunft des Mannheimer Stadtarchivs. Durch einen Erlass des Reichsinnenministeriums im Jahr 1936 wurde der Begriff der Gottgläubigkeit in den Meldeunterlagen für Menschen eingeführt, die sich zugunsten des Nationalsozialismus von ihrer bisherigen Kirchenzugehörigkeit abgewendet hatten. Curt Riesterer jedoch behielt seinen katholischen Glauben.

Laut seiner erhaltenen Wehrstammrolle hatte sich Curt Riesterer am 1. April 1936 zunächst freiwillig zum Reichsarbeitsdienst in der RAD­ Abteilung 6/274 „Schloss Heidelberg“ gemeldet und wurde im April desselben Jahres eingezogen. Am 24. Mai 1937 verurteilte ihn ein Militärgericht vermutlich wegen Dienstfluchts in Karlsruhe zu 180 Tagen Gefängnis. Vom 16. Juli 1937 bis wenige Tage vor Weihnachten saß Curt Riesterer daraufhin in der Landeshaftanstalt in Bruchsal ein. Aufgrund von „Wohlverhalten“ erhielt Curt Riesterer vermutlich im Hinblick auf das bevorstehende Weihnachtsfest eine Strafzeitverkürzung und wurde Ende 1937 aus der Haft entlassen.

Zu Kriegsbeginn wurde Curt Riesterer zum Infanterie-Ersatz­-Bataillon 470 einberufen und später zum (motorisierten) Infanterie­Regiment 120 befohlen. Im September 1941 erlitt er bei Kämpfen im Raum Dnjepropetrowsk in der Ukraine eine Verwundung. Bis November 1941 hielt er sich im Lazarett auf. Anschließend wurde er zum Infanterie­-Ersatz-Bataillon 238 zurück ins heutige Baden­Württemberg kommandiert.

Vermutlich irgendwann im Laufe des Jahres 1942 wurde Curt Riesterer im Wehrmachtgefängnis Freiburg/Breisgau inhaftiert. Heute ist nicht mehr zu ermitteln, weshalb diese Inhaftierung erfolgte. Nach Auskunft des dortigen Staatsarchivs ist sein Name in den wenigen dort erhaltenen Gefangenenpersonalakten des Gefängnisses nicht enthalten. Vermutlich wurde er der Fahnenflucht bezichtigt, für die er später hingerichtet werden sollte.

Fest steht, dass er nach einer letzten Meldung des Wehrmachtgefängnisses Freiburg/Breisgau vom 9. Dezember 1942 für eine Woche ins dortige Lazarett eingeliefert wurde. Zwischen 1942 und Anfang 1943 muss seine Verurteilung zum Tode durch ein unbekanntes Kriegsgericht erfolgt sein. Entsprechende Akten sind nicht erhalten.

Am 22. März 1943 wurde Curt Erich Riesterer in Ulm wegen Fahnenflucht „standrechtlich erschossen“ und drei Tage später im Grab 42 innerhalb der Abteilung 63 auf dem Ulmer Friedhof bestattet.

Sein Bruder Karl Riesterer, der ebenfalls als Soldat an der Front stand, wurde wenig später als vermisst gemeldet und Ende 1945 für tot erklärt. Die Schwester Luise Riesterer starb 1972. Weitere Angehörige der Familie waren nicht mehr zu ermitteln.

Aus dem Buch „Deserteure und „Wehrkraftzersetzer“. Ein Gedenkbuch für die Opfer der NS-Militärjustiz in Ulm“ von Oliver Thron mit freundlicher Genehmigung des Autors und des Dokumentationszentrums Oberer Kuhberg in Ulm.