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Verfolgung der Juden in Ulm

Die Verfolgung der jüdischen Bürger Ulms begann bald nachdem die Nationalsozialisten an die Macht gelangt waren. Die NS-Propaganda konzentrierte sich zunächst auf die jüdischen Gewerbetreibenden. Bereits am 11. März 1933 und damit drei Wochen vor der reichsweiten Aktion organisierte der „Nationalsozialistische Kampfbund für den gewerblichen Mittelstand“ in Ulm einen ersten Boykott jüdischer Geschäfte.

Die Isolierung jüdischer Menschen vollzog sich in allen Bereichen der Gesellschaft. Sportvereine, der Mieterverein, der ADAC und der Alpenverein entledigten sich ihrer jüdischen Mitglieder. Professor Dr. Julius Baum, langjähriger Direktor des Ulmer Museums, und andere Beamte wurden im Mai 1933 gekündigt. Jüdische Künstler und Musiker durften nicht mehr ausstellen oder auftreten. 1935 untersagte die Stadt ihren jüdischen Bürgerinnen und Bürgern auch den Zutritt zu den städtischen Badeanstalten.

Viele Geschäfte in jüdischem Besitz konnten sich anfänglich auf einen loyalen Kundenstamm verlassen, aber wachsender Druck und unaufhörliche Propaganda sorgten dafür, dass immer weniger Menschen den Mut hatten, ihre Läden offen zu betreten. Bereits vor 1939 waren viele jüdische Geschäftsleute gezwungen ihren Betrieb – meist deutlich unter dem aktuellen Wert – zu verkaufen oder zu übertragen. So wurden auch die großen Fabriken wie die Ulmer Schraubenfabrik, die Nathan-Strauss-Hüttenwerke und die Gabriel Lebrecht AG arisiert. Nach dem Pogrom im November 1938 wurden schließlich die letzten Ulmer Geschäfte, die noch in jüdischer Hand waren, ohne Entschädigung zwangsenteignet.

Dem Pogrom ging Ende Oktober 1938 die Abschiebung der in Deutschland lebenden polnisch stämmigen Juden voraus. Die Familien Frenkel, Chose, Karnowski und Krippel wurden von Ulm an die deutsch-polnische Grenze deportiert und nach der Besetzung Polens durch die Deutschen ermordet. Die Erschießung eines deutschen Botschaftsangehörigen in Paris durch einen Verwandten solcher gewaltsam abgeschobener Juden lieferte schließlich den willkommenen Anlass für eine Kampagne der Gewalt und Zerstörung gegen deutsche Juden, die Reichspogromnacht am 9. November 1938.

In Ulm wurde in dieser Nacht die Synagoge am Weinhof vom Nazi-Mob in Brand gesetzt, Juden aus der ganzen Stadt wurden aus ihren Häusern zum Weinhof gezerrt. Dort wurden sie in den Christophorus-Brunnen gestoßen und mit Tritten und Schlägen traktiert, bis sie zusammenbrachen. Der Rabbiner Julius Cohn verstarb später an den schweren Verletzungen. Nach der Reichspogromnacht wurden die meisten jüdischen Männer aus Ulm ins KZ Dachau gebracht und häufig nur freigelassen, wenn sie entweder ihren Besitz verkauften und/oder sofort emigrierten oder im Ersten Weltkrieg gekämpft hatten. Die Reste der Synagoge wurden abgerissen.

Nach 1933 hatte es bereits eine stetige Zunahme an Emigrationen gegeben: 28 zwischen 1933 und 1935, 48 im Jahr 1936, 58 im Jahr 1937 und 40 im Jahr 1938. Die Reichspogromnacht verursachte nun eine regelrechte Fluchtwelle. 124 Menschen, fast ein Viertel der früheren jüdischen Einwohner Ulms, flohen 1939 aus der Stadt. Die Ausreise in eines der wenigen Länder, die jüdische Flüchtlinge aufnahmen, bedeutete nahezu sämtlichen Besitz zurück und in den Händen der Nazis zu lassen.

Jene, die zurück blieben, wurden nach 1939 gezwungen, ihre Wohnungen zu verlassen und in „Judenhäuser“ zu ziehen. Die Alten und Gebrechlichen mussten dann in sogenannte jüdische Altersheime ziehen. Zuerst kamen sie nach Herrlingen und Dellmensingen, später in das herunter gekommene alte Schloss in Oberstotzingen. Auf diese Weise wurden die übrig gebliebenen Juden dem öffentlichen Blick so weit entzogen, dass ihre spätere Deportation und Ermordung ohne großes Aufsehen erfolgen konnte.

Die erste Deportation von 21 Ulmer Juden erfolgte am 1. Dezember 1941 vom Stuttgarter Killesberg nach Riga. Nur ein einziger Mann aus Ulm überlebte. Der nächste große Transport von Stuttgart fand am 26. April 1942 statt, darin befanden sich 14 Juden aus Ulm. Das Ziel waren Izbica und Lublin, aber dies waren nur Durchgangslager auf dem Weg nach Majdanek oder zu den Vernichtungslagern von Belzec und Sobibor. Es ist unbekannt, wo genau die Ulmer Juden aus diesem Transport starben. Die größte Deportation von Ulmer Juden erfolgte am 22. August 1942 über Stuttgart nach Theresienstadt. Hierbei waren 45 Personen betroffen, meist Frauen in hohem Alter (das Durchschnittsalter betrug 68 Jahre). Resi und Siegmund Weglein überlebten die Qualen dieses Konzentrationslagers. Nach ihrer Rückkehr nach Ulm trugen sie maßgeblich zur Dokumentation des Schicksals von Ulmer Holocaust-Opfern bei.

(Diese Schilderung beruht auf Ingo Bergmanns Einleitungskapitel im Gedenkbuch für die Ulmer Opfer des Holocaust.)