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Familie Eckstein

Stolpersteine Am Roten Berg / Ecke Kellerhalde (GPS 48.40108, 9.94014)

Bahnwaggonsiedlung „Schwamberghausen“ am Roten Berg (Foto Wilhelm Sohn, Stadtarchiv Ulm).

„Schwamberghausen“ – so hieß im Volksmund despektierlich eine am Anfang der 1920er Jahren von Oberbürgermeister Emil Schwamberger am Roten Berg am Rande von Ulm-Söflingen errichtete Bahnwaggonsiedlung. Als Notunterkunft für Menschen ohne Wohnung gedacht, lebten dort bis weit in die 1930er Jahren auch Sinti Familien auf der Durchreise oder für längere Zeit.

Auschnitt von Planungsunterlagen des Jahres 1921 (Stadtarchiv Ulm). (A) Die Bahnwaggonsiedlung befand sich sehr wahrscheinlich in dem roten Quadrat. (B) Damaliger Feldweg Nr. 26, heute heißt der Weg Am Roten Berg. (C) Damalige Holzbrücke über den Blaukanal, heute Riedwegbrücke.

Die genaue Lage der Bahnwaggons am Roten Berg war lange Zeit ungeklärt. Anhand Fotos von Wilhelm Sohn und Planungsunterlagen des Stadtarchivs konnten aber Mitglieder der Stolperstein Initiative den Ort ermitteln, an dem die Siedlung errichtet wurde. Dieser lag in der südöstlichen Ecke des Lagerplatzes der ehemalige Schwenck’sche (früher Hillebrandt’sche) Ziegelei (siehe Bild). An dieser Stelle zweigt heute die Straße Kellerhalde herunter von dem Weg Am Roten Berg. In einer baumbeschatteten, grasigen Ecke gegenüber liegen heute die Stolpersteine für die Familie Eckstein und schauen auf den Ort der früheren Siedlung.

Im Hauptregister der Geburten in Ulm wurde am 10. Mai 1932 die Geburt eines Kindes mit Namen Willi angezeigt, „von der Helene Eckstein geb. Köhler, Ehefrau des Musikers Karl Eckstein, beide ohne festen Wohnsitz, zur Zeit wohnhaft beim Roten Berg in Söflingen, vorübergehend auf der Durchreise“. Die Ecksteins gehörten zu einem weit verzweigten Netzwerk von Sinti Musikerfamilien. Laut der Auschwitz-Überlebenden Philomena Franz, Karls Nichte, zogen sie mit dem Wohnwagen umher und wohnten freiwillig oder unfreiwillig längere Zeit im Wohnwagen an bestimmten Orten. So kamen die Kinder an unterschiedlichen Orten zur Welt: Regina 1928 in Böblingen, Anton 1929 in Laupheim, Margot 1930 in Stuttgart, Willi 1932 in Ulm und Karl 1934 in Stuttgart. Am Roten Berg haben sie sicherlich öfters Halt gemacht oder sind auch länger geblieben.

Helene Eckstein starb im Jahr 1935. Nach der im Dezember 1938 vom Reichsführer SS Heinrich Himmler verfügten „Bekämpfung der Zigeunerplage“ wurde das Reisen für Sinti zunehmend gefährlich. Am Anfang der 1940er Jahre lebten die Ecksteins an verschiedenen Adressen in Heilbronn. Im März 1943 wurde dann die Familie nach Auschwitz deportiert. In der Zeit zwischen August und Dezember wurden sie, einer nach dem anderen, dort ermordet. In der NS-Zeit wurden über 25.000 Sinti und Roma im Deutschen Reich allein ermordet. Insgesamt fielen geschätzte 220.000 bis 500.000 Sinti und Roma dem Rassenwahn der Nationalsozialisten und dem an ihnen systematisch geplanten Völkermord zum Opfer.

Von den anderen Sinti Familien, die am Roten Berg länger oder vorübergehend lebten, sind die Berichte spärlich. Auch in anderen Teilen von Söflingen lebten Sinti Familien, zum Teil dauerhaft. Für Willi Eckstein wurde schon 2014 auf Betreiben des Historikers Walter Wuttke eine Straße umbenannt. Die Stolpersteine für die Ecksteins am Roten Berg sollen auch an die Verfolgung anderer, bisher unbekannter Sinti Familien erinnern.