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Familie Zürndorfer

Stolpersteine Susoweg 17 (GPS 48.389139, 9.976307)

 

Fanny Zürndorfer, geb.Maier

 

Fanny Maier wurde am 5. 5. 1871 als Tochter von Simon Maier und Sofie, geb. Maier, in Heidelsheim bei Bruchsal geboren. Drei Jahre später, am 8. 6. 1874, kam ihre Schwester Babette zur Welt.

Mit 24 Jahren, am 29.10.1895 heiratete sie in Bruchsal den Zigarrenfabrikanten Heinrich Hugo Zürndorfer (geb. am 15.7.1867). Hugo Zürndorfer kam aus Rexingen, wo es eine große jüdische Gemeinde gab. Dort kam am 25.8.1897 Sohn Gustav und am 19.3.1905 die Tochter Ruth zur Welt. Bis 1919 blieb die Familie in Bruchsal, dann zog sie nach Ichenhausen. Hier betrieb Hugo ein Wasserwerk.

Fanny Zürndorfer

Fanny Zürndorfer

Am 30.11.1928 starb der Ehemann Hugo Zürndorfer im Alter von 61 Jahren. Sein Grab befindet sich auf dem jüdischen Friedhof in Rexingen.

Im Juli 1930 zogen Fanny und ihre Tochter Ruth nach Ulm. Ruth hatte geheiratet und Fanny wohnte mit dem neu vermählten Ehepaar im Susoweg 17. Die Zeit in Ulm war wahrscheinlich sehr schwierig für Fanny. Die Machtergreifung Hitlers in 1933 spaltete die Familie ihres nichtjüdischen Schwiegersohnes, und Fanny selbst liebte das jüdische Leben und stand einer übermäßigen Assimilation skeptisch gegenüber.

Am Anfang der Nazi-Verfolgung fanden die alteingesessenen jüdischen Familien in Ulm einen gewissen Rückhalt in der Gemeinde und bei Freunden, aber Fanny war vermutlich ziemlich isoliert und es gab wenige Ichenhausener in Ulm. Sie versuchte Kontakt zu knüpfen durch die Mitgliedschaft im jüdischen Wohltätigkeitsverein. Trotzdem verließ sie Ulm im Jahr 1935 – noch vor dem Tod ihres Schwiegersohnes – und ging nach Rexingen zur Verwandtschaft ihres verstorbenen Mannes.

Mit 68 Jahren – am 12.7.1939 – kam Fanny unter Bezahlung eines hohen Geldbetrages (6500 Reichsmark) in das jüdische Zwangsaltersheim nach Herrlingen. Als Grund für ihren Umzug ins Altersheim gab sie die Auswanderungsbemühungen ihrer Kinder an. Tatsächlich heiratete ihre Tochter Ruth im folgenden Monat wieder und ging nach Mainz. Der Geldbetrag entsprach der Hälfte des Erlöses für den erzwungen Verkauf des Hauses in Ulm. Das eingezahlte Geld nutzte aber nichts, da das Altersheim in Herrlingen aufgelöst wurde: Fanny wurde zwangsweise umgesiedelt in das heruntergekommene Zwangsaltersheim im Schloss Oberstotzingen (Kreis Heidenheim).

Über das Durchgangslager in Stuttgart-Killesberg kam Fanny  Zürndorfer am 22.8.1942 nach Theresienstadt, zusammen mit vielen anderen Juden. Dies war zahlenmäßig die größte Deportation Ulmer Juden nach Theresienstadt.

Am 29.9.1942 wurde Fanny nach Treblinka deportiert und dort unmittelbar nach ihrer Ankunft – im Alter von 71 Jahren – ermordet.

 

 

Ruth Waldmann, verwitwete Hilble, geb. Zürndorfer

 

Ruth kam am 19.3.1905 als zweites Kind des Ehepaars Hugo und Fanny Zürndorfer in Bruchsal zur Welt.

Als Ruth 14 Jahre alt war, zog die Familie nach Ichenhausen.  1923 – mit 18 Jahren – ging Ruth nach Apolda in der Nähe von Weimar als „Kinderfräulein“, und kam als „Säuglingsschwester“ 1926 wieder zurück zu ihren Eltern nach Ichenhausen. Hier lernte sie auch ihren ersten Mann Fritz Hilble aus einer nicht-jüdischen Ichenhausener Kürschnerfamilie kennen, den sie am 4.8.1930 heiratete. Fritz Hilble hatte im April 1929 ein Pelzgeschäft in der Hirschstraße 26 in Ulm übernommen, wohnte seit 3.2.1930 in der Stadt, und kaufte bald das neugebaute Haus Susoweg 17 in der Weststadt, in das er mit Ruth und ihrer Mutter im Juli 1930 einzog.

Nach den Angaben des Urenkels von Ruth war die kinderlose Ehe zwischen Fritz und Ruth nicht die große Liebe. Ohne Zweifel wurde das Verhältnis zu der Familie von Ruths Mann stark belastet durch die Mitgliedschaft seines Bruders in der NSDAP (ab November 1932). Gleichzeitig arbeitete Ruth wahrscheinlich im Pelzgeschäft mit; bezeichnenderweise erwähnte der im „Ulmer Stürmer“ veröffentlichte Boykottaufruf gegen jüdische Geschäfte auch das „Pelzhaus Fritz Hilble“.

Stark beeinträchtigt war das Geschäft allerdings nicht, da es in neue, modernere Räume in der Bahnhofstraße 10 zog. Kurz danach aber erkrankte Fritz an Hautkrebs. Zu dieser Zeit zog Ruths Mutter Fanny zurück nach Rexingen und das Haus im Susoweg wurde vermietet. Fritz und Ruth wohnten neben dem Geschäft und Fritz starb dort am 16.2.1937.

Ruth erbte zwar durch Ehe und Erbvertrag das Haus im Susoweg, (das Pelzgeschäft erhielt der Bruder von Fritz nach der Bezahlung einer unbekannten Summe an Ruth), aber im Zuge der Arisierung musste sie das Haus Susoweg 17 für 13.332 Reichsmark und Übernahme der Hypotheken verkaufen. Danach suchte sie wie ihre Mutter Zuflucht in Rexingen.

Ruths Bruder Gustav versuchte 1939 über die holländische Grenze auszureisen, wurde aber wegen eines angeblichen Devisenvergehens festgenommen und im KZ Buchenwald eingesperrt. Ruth musste ihn freikaufen und ihm seine Passage nach Shanghai bezahlen. Nach dem Krieg konnte Gustav sich als Gus Zurne nach San Francisco retten.

Im August 1939 heiratete Ruth Maximilian (genannt Max) Waldmann (geb. 3.5.1898 in Mainz) und zog zu ihm nach Mainz. Dieser hatte im ersten Weltkrieg im Kampf für Deutschland eine schwere Kopfverletzung erlitten, die ihn sehr einschränkte. Als der Antisemitismus immer stärker wurde, sah das Ehepaar „keinen anderen Ausweg, als einen Auswanderungsantrag in die Vereinigten Staaten von Amerika zu stellen. Der zuständige Konsul in Stuttgart lehnte jedoch mit der – für auswanderungswillige deutsche jüdische Schwerkriegsbeschädigte einheitlichen – Begründung ab: „Weil Maximilian Waldmann für Deutschland gekämpft hat, soll Deutschland auch für ihn sorgen!““(Schmidt: Zürndorfer-Waldmann: Das Schicksal deutscher Frontkämpfer jüdischer Abstammung). Die Ausreise nach Amerika wurde ihnen also verwehrt.

Im Jahr 1940 wurde der Sohn Jona – genannt Jonny – geboren. Die Familie musste ihre private Wohnung aufgeben und sich mit zwei anderen jüdischen Familien eine zugewiesene Wohnung teilen. Ende 1942 wurden sie ins jüdische Auffanglager Darmstadt verlegt. Am 10. Februar 1943 wurden Max, Ruth  und ihr zweijähriger Sohn durch die Gestapo nach Theresienstadt gebracht. Ruth „wurde zum Arbeitseinsatz als Küchenhilfe in die Lagerküche abkommandiert, ein Umstand, dem die drei Familienmitglieder verdankten, nicht wie andere verhungert zu sein.“ (s.o.)

Da während der Befreiung im Jahr 1945 durch die russische Armee in Theresienstadt eine Flecktyphus-Epidemie wütete, konnte die Familie erst nach der Quarantänezeit am 12. Juli 1945 nach Mainz zurückkehren.

Max Waldmann starb am 31. Mai 1960 in Mainz. Der Sohn Jonny erlag Ende 1980 den Spätfolgen seiner im Konzentrationslager Theresienstadt erlittenen Gesundheitsschädigung.

Im Sommer 1981 starb Ruth Waldmann.

 

 

Autorin: Eva Nimrich

Bildrechte: Peter Waldmann

 

Quellen:

Bergmann, Ingo: Und erinnere dich immer an mich, Ulm 20059

Keil, Heinz: Dokumentation über die Verfolgungen der jüdischen Bürger von Ulm/Donau, Ulm 1961, S. 343ff

Schmidt: Zürndorfer – Waldmann, S. 187, in: Jüdische Soldaten, Ausstellung des militärgeschichtlichen Forschungsamtes 1996

Seemüller, Ulrich: Das jüdische Altersheim und die Schicksale seiner Bewohner, Blaustein 1997

Weglein, Resi: Als Krankenschwester im KZ Theresienstadt,  S.19ff

Ehemalige Synagoge Rexingen e.V.

Staatsarchiv Ludwigsburg

Stadtarchiv Bruchsal

Stadtarchiv Ichenhausen

Stadtarchiv Ulm

Ulmer Adressbuch

Vernehmungsprotokolle Herrlingen