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Maria Hausser

Stolperstein Kirchstraße 3, Grimmelfingen (GPS 48.371731, 9.935677)

 

Maria Hausser wurde am 21. Mai 1868 in Grimmelfingen geboren. Sie war die dritte von vier Schwestern. Alle anderen der insgesamt 13 Kinder, die ihre Mutter Barbara Hausser, geb. Stäb, zur Welt brachte, starben kurz nach der Geburt. Ihr Vater Leonhard Hausser war Landwirt und Besitzer eines der größten Bauernhöfe im Dorf, des „Kottenbauers“ gegenüber dem Rathausgebäude. Die Geschichte dieses Hofs hatte im Dorf eine große Bedeutung, da er im Mittelalter der Ulmer Familie Krafft und später dem Kloster Söflingen gehört hatte. Leonhard Hausser war auch Gemeindepfleger, verantwortlich für finanzielle Angelegenheiten in der Dorfverwaltung.

Möglicherweise litt die Familie unter einer mangelhaften Jodversorgung, die Marias Hypothyreose verursachte. Die Erkrankung wurde mit der damals verwendeten Bezeichnung „Kretinismus“ in dem Eintrag in dem Familienregister der evangelische Kirche in Grimmelfingen ausdrucklich erwähnt. Jodmangel war damals nicht selten und ist heute immer noch weltweit die häufigste Ursache für kindliche Retardierung. Bei Maria bewirkte die Hypothyreose eine zwerghafte Statur und geistige Behinderung. Sie konnte die Schule nicht besuchen und wurde zuhause in der Familie versorgt. Es lässt sich nicht sagen, wie dies alles auf das Leben der Familie in Grimmelfingen ausgewirkt hat, allerdings haben Marias drei Schwestern erst sehr spät geheiratet oder heiraten können.

Im Jahr 1898 starb Vater Leonhard und der Hof musste verkauft werden. Vier Jahre später starb auch Mutter Barbara. Schon kurz vorher wurde Maria am 2. Juni 1902 im Alter von 34 Jahren in das Gottlob-Weißer-Haus der Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall eingewiesen, wahrscheinlich weil ihre Mutter nicht mehr für sie sorgen konnte. Die Pflegerinnen der Anstalt beschrieben sie als geordnet, gesellschaftsfähig und reinlich. Sie freuten sich über ihren gutartigen Charakter, obwohl sie gelegentlich etwas reizbar war.

Viele Jahre später am 30. März 1920 wurde sie auf Veranlassung der Ortsarmenbehörde in Grimmelfingen in die Landesfürsorgeanstalt Oberer Riedhof verlegt. Dort lebte sie jedenfalls in der Nähe ihrer in Ulm lebenden Schwestern Walburga und Katharina, die im Personalblatt des Riedhofs als Kontaktpersonen eingetragen waren. Sie war schon 52 Jahre alt. Von ihrer Zeit am Oberen Riedhof gibt es keine Berichte. Dann entdeckt man ihren Namen unter den 40 Personen, die am 23. August 1940 mit dem grauen Bus nach Grafeneck gebracht wurden. Sie wurde wie alle Anderen am selben Tag mit Gas ermordet.

Quellen

Evangelischer Familienregister Grimmelfingen
Familienregister des Standesamts Ulm
Krankenblatt im Archiv der Diakonissenanstalt Schwäbisch Hall
Personalliste Oberer Riedhof im Archiv Tannenhof (Ulm)
Kast, Helmut, „Grimmelfingen : Von der alemannischen Siedlung zum Ulmer Stadtteil“, Süddeutsche Verlagsgesellschaft, 2005

Autor: Mark Tritsch